Wehrdienst bei der Bundeswehr 1999–2000

Auf dieser Seite beschreibe ich meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Zur besseren Gliederung, habe ich das Frage-und-Antwort Format gewählt. Alte und neue Rechtschreibung sind unwillkürlich vermischt. Datum der Erst-Publizierung ist Februar 2016. Der Autor ist Jan Hakenberg.

Q: Warum diese Zusammenfassung?

Seit 2011 ist die Einberufung von Grundwehrdienstleistenden zum Wehrdienst in der Bundeswehr ausgesetzt. Wehrpflicht besteht nur noch im Spannungs- oder Verteidigungsfall (siehe auch Wikipedia).

Als offizielle Gründe wurden angeführt: 1) die fehlende Wehrgerechtigkeit, und die verspätete Berufsausbildung (im Interesse der Wehrdienstleistenden). 2) Bündelung der Resourcen auf Auslandseinsätze, Professionalisierung der Soldaten, und Modernisierung (im Interesse der Bundeswehr).

Die Wehrpflicht war jahrzehntelang eine Selbstverständlichkeit in Deutschland. Durch den Wehrdienst haben eine große Anzahl von Männern einen Einblick in die Tätigkeit und Zusammensetzung der Bundeswehr erhalten. Die Armee zu "besuchen", ist den nachfolgenden Jahrgängen derzeit nur über die Soldatenlaufbahn möglich.

Die Zielgruppe dieses Artikels sind die unter 25-jährigen.

Nun haben wir Deutsche traditionell keinen blassen Schimmer,
wie man einen Krieg gewinnt,...
Titanic Magazin

Q: Wie authentisch ist diese Beschreibung?

Inzwischen sind bereits über 15 Jahre vergangen. Der ein oder andere Fachbegriff ist mir wohl entfallen.

Dank digitaler Speichermedien habe ich Photos und Aufgeschriebenes aus den Jahren 1999-2000.

Einige unrühmliche Taten, die dem jugendlichen Leichtsinn zuzuschreiben sind, eigene und die von anderen, sind mittlerweile verjährt und können hier Erwähnung finden.

Q: Wie representativ sind die Schilderungen?

Fast gar nicht: Die Erfahrung eines Wehrdienstleistenden hängt ab von Standort, Verwendung, und den Vorgesetzten. Deswegen sind die persönlichen Eindrücke wohl sehr unterschiedlich.

Ältere Bekannte von mir mußten 2 Jahre Wehrdienst ableisten statt 10 Monate.

Alternative Darstellungen gibt es online: Jan Kretschmer hat einen Bericht seiner Erfahrungen erstellt mit zahlreichen Photos. Erlebnisse beim Wehrdienst wurden außerdem in einem Forum ausgetauscht.

Q: Warum nicht Zivildienst?

Zivildienst setzte Eigeninitiative voraus: Man mußte eine Verwendung bzw. Platz organisieren, und eine schriftliche Begründung für die Verweigerung einreichen. Diesen Aufwand wollte ich während der Vorbereitung auf die Abiturprüfung nicht betreiben.

Ich hatte u.a. von den Gebirgsjägern gehört und wollte mich ähnlichen Herausforderungen stellen.

Trotz der Passage aus Artikel 12a des Grundgesetzes: "(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen. [...]", war der Wehrdienst aber 1-2 Monate kürzer als der Zivildienst! Diese Tatsache hat es mir erlaubt, das Studium bereits ein halbes Jahr früher, und zwar im Sommersemester 2000, zu beginnen.

Q: Woraus bestand die Musterung?

Die Musterung fand 2-3 Monate vor dem Antritt zum Wehrdienst statt.

Mein Elternhaus liegt in Hessen. Zur Musterung mußte ich zweimal ein Behördengebäude aufsuchen in der Landeshauptstadt Wiesbaden.

Beim ersten Besuch fand die medizinische Untersuchung statt. Hier wurde man auf einer Skala von 1-3 eingeordnet, oder eben ganz ausgemustert. Das Ergebnis wurde einem im Anschluss mitgeteilt. Außerdem hatte man Gelegenheit, sich über mögliche Verwendungen zu informieren. Ich habe mich nach Bereichen erkundigt, die körperliche Ausdauer und Training erfordern. Dabei habe ich zum ersten Mal von den Pionieren erfahren.

Beim zweiten Besuch ging es um die kognitiven Fähigkeiten. Es lief ab ähnlich zu einer Klassenarbeit in der Schule. In einem Verband von 20-30 jungen Männern sollte jeder einen mehrseitigen Fragebogen mit Aufgaben lösen. Der letzte Aufgabenteil bestand darin, akkustische Signale über Kopfhörer so gut es ging zu notieren. Ich vermute, der Sinn darin war die Eignung zum Fernmelder zu testen. Die Ergebnisse dieses Tests konnte man schriftlich anfordern. Auf dieser Auswertung wurde die eigene Leistung zum Durchschnitt gemessen in Abhängigkeit vom Schulabschluß.

Q: Zeitplan der 10 Monate?

Mein Wehrdienst hat sich über den Zeitraum vom 1. Juli 1999 bis zum 30. April 2000 erstreckt.

'99 Juli & AugustAllgemeine Grundausbildung, "AGA", in Lahnstein/Hessen
'99 Septemberkeine besonderen Aktivitäten
'99 November & DezemberAusbildung zum Pioniertaucher in München/Bayern und in Percha am Starnberger See
'00 Januar1 Woche Fahrschule in Speyer/Rheinland-Pfalz
'00 Februar & MärzTauchübungen im Tauchtopf, aber auch in der Mosel/Rhein; Wachdienst; Fahrdienst
'00 AprilFrühzeitige Entlassung durch Urlaub

Q: Ablauf der Allgemeinen Grundausbildung?


Ankunft in Deines-Bruchmüller-Kaserne Lahnstein. Ich war der 5. Kompanie des Pionierbataillon 320 zugeordnet, kurz 5./320. Der Neuzugang in dieser Kompanie bestand aus etwa 80 Rekruten.

An den ersten beiden Tagen waren die Rekruten noch in Zivil gekleidet. Dann ging es zur Einkleidung, wo jedem Rekrut passende Uniformen und sonstige Ausrüstung ausgehändigt wurde. Dazu gehörten auch zwei Paar Kampfstiefel. Das Material ist im allgemeinen recht langlebig.


Die Zimmer wurden "Stube" genannt und von maximal 8 Rekruten belegt. Man teilte sich ein Etagenbett. Jeder hatte einen Spint. Die Aufteilung der Ausrüstung im Spint war genau festgelegt und wurde gelegentlich kontrolliert.

Man hat sich bereits am ersten Tag daran gewöhnt, zu salutieren und Befehle zu befolgen. Das Erlernen der Dienstgradbezeichnungen war erforderlich, um sich passend an- und abmelden zu können: "Melde mich wie befohlen, Herr Unteroffizier.", "Jawohl, Herr Hauptmann."

Der Zug von 80 Rekruten wurde geleitet von einem Oberfeldwebel. Eingeteilt wurden wir in Untergruppen von 10 Mann, die jeweils von einem Unteroffizier koordiniert und eingewiesen wurden.

An einigen Tagen fand Unterricht zum Thema Soldatenrecht, Kriegsrecht, Genfer Konventionen, und Waffenkunde statt. Etwaige Befehle, die dagegen verstoßen, dürfe man nicht befolgen.

Q: Übungen im Gelände?

Im Juli und August ist es warm. Wir haben Märsche gemacht, (Zelt-)Lager aufgebaut, Stellungen mit dem Klappspaten ausgehoben. Gelegentlich haben wir dabei auch draußen übernachtet.

Um das Lager herum wurde Bewachen und Patrouillieren geübt. Alle zwei Stunden wurden diese Dienste ausgewechselt. Bei so einer Wache mußte man sich in die Stellung legen und nach vorne schauen. Dabei ist man häufig eingeschlafen.

Ich hatte damals ein tragbares, kompaktes Radio mit Kopfhörern. Beim Marschieren hatte ich manchmal davon einen Stöpsel im Ohr. Dann hat mich ein Unteroffizier erwischt und an den Feldwebel verpetzt. Aber weil ich bis dahin gut "mitgemacht" hatte, hat der Feldwebel nix gemacht.

Eine besondere Veranstaltung war der Nachtalarm: Davon wurden wir mitten in der Nacht geweckt und sollten innerhalb von einer halben Stunde abmarschbereit sein. Die Vorgesetzen haben aber bereits nach einer viertel Stunde zum Antreten gepfiffen. Nur ein Rekrut war noch nicht fertig und wurde beschimpft. Danach ging es ins bewaldete Gelände, wo man sich am Rucksack des Vordermanns festgehalten hat, weil es so dunkel war.

Q: Ausbildung an der Waffe?


Recht am Anfang, hat auch jeder Rekrut ein Gewehr G3 zugeteilt bekommen. Die Gewehre waren in der Waffenkammer des Kompaniegebäudes verwahrt. Der Grund, die Gewehre nicht untereinander zu wechseln, besteht darin, daß Teile des Gewehrs nicht entwendet werden.

Nachdem jeder sein Gewehr zerlegen und wieder zusammensetzen konnte, ging es zu Übungen auf den Schießplatz. Dabei mußte man lange anstehen, bekam irgendwann drei Patronen scharfe Munition in die flache Hand übergeben, hat dabei noch mal nachgezählt und dann damit das Magazin bestückt. Als man an der Reihe war, hat man sich auf den Boden gelegt und auf Pappkameraden in 25-50 Meter Entfernung gezielt und abgedrückt.

Insgesamt habe ich ca. 13 mal mit dem Gewehr scharf gefeuert. Wer hinreichend gut das Ziel getroffen hat, durfte zurück in die Kaserne.

Bei einer Gelegenheit haben wir auch mit der Pistole geübt: drei Schuß auf einen Pappkameraden und fertig.

Q: Bewaffnung bei Geländeübungen?

Bei Märschen wurde das Gewehr grundsätzlich mitgetragen. Außerdem haben wir gelegentlich Maschinengewehr, und Panzerfaust mitgeschleppt, einzig um uns an das Tragen zu gewöhnen.

Im Gelände bekam jeder ein paar Magazine voll mit Platzpatronen für sein Gewehr. Nach wenigen Schuß mit diesen Patronen waren die Läufe und der Verschluß der Waffe verdreckt und mußten gereinigt werden.

Vor der Rückkehr in das Kompaniegebäude war man angewiesen, eine Sicherheitsüberprüfung der Waffe zu machen. In Gebäude auf den Fluren hat dann jeder seine Waffe auseinandergenommen und gereinigt. Bei solch einer Gelegenheit befand sich noch eine Platzpatrone in der Kammer meines Gewehrs. Glücklicherweise hatte ich nicht abgedrückt!

Die Kaserne verfügte auch über einen Schießsimulator. Den haben wir einmal besucht. Die Gewehre für den Simulator waren elektronisch und häufig kaputt.

Q: Besondere Vorkommnisse während der AGA?


1. In unserem Zug von 80 Mann war ein Moslem mit dunklerer Hautfarbe. Eine Gruppe von ca. 6-7 Rekruten haben ihn eines Abends kurz nach Zapfenstreich aus dem Bett gezogen, in den Waschraum geschleppt, wo sie ihn mit kaltem Wasser über einen Schlauch abgespritzt haben. Wegen dem Lärm aus dem Flur bin ich aus dem Bett und in den Waschraum gefolgt. Dort habe ich dann den Kameraden gefunden und ihm ein Handtuch gebracht.

Am nächsten Morgen haben die Beteiligten gestanden. Sie wurden zu 1-2 Wochen Arrest bestraft und später in andere Kompanien versetzt. Das Opfer wurde darum gebeten, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Er hat nach der Grundausbildung ein Einzelzimmer bezogen und war für die restliche Zeit als Fahrer eingeteilt, d.h. ein "angenehmer" Job.

2. Ein Wehrpflichtiger aus unserem Zug hat sich von Anfang an jeglichen Befehlen verweigert, blieb in Zivil und ist nirgends nachgefolgt. In der zweiten Woche wurde er entlassen.

3. Die Grundausbildung wurde mit dem Gelöbnis abgeschlossen: Alle Wehrpflichtigen der Kaserne haben sich in Uniform auf dem Sportplatz eingefunden und einen Eid geleistet.

Q: Wahl der Spezialisierung?

Bei einer Gelegenheit während der AGA wurde der Zug gefragt, wer die Ausbildung zum Pioniertaucher machen möchte: Einige Tage später sind die vier Freiwilligen nach München gefahren, um sich medizinisch untersuchen zu lassen. Ein EKG wurde angefertigt. Außerdem setzte man sich in einer Druckkammer 2 Bar aus, um den Effekt von 20 Meter Wassertiefe zu erzeugen.

Q: Übersicht der Tauchausbildung?


Der Lehrgang zum Pioniertaucher setzte sich zusammen aus: 3 Wochen Hallentraining in der Prinz-Eugen-Kaserne in München, gefolgt von 5 Wochen Stationierung in einer kleinen Kaserne in Percha bei Starnberg.

Von den anfänglich elf Teilnehmern haben fünf den Lehrgang erfolgreich abgeschlossen: Eduard Benz, Jan Hakenberg, Mario Krusec, Rico Rabitz, Stephan Seifert. Die Ausbilder waren: OFw Kühlmann, HFw Korte, und Taucherarztgehilfe Fw Meuschke. Vornehmlicher Grund für das vorzeitige Ausscheiden der anderen Lehrgangsteilnehmer waren Erkältungen, die einen Druckausgleich der Lufthöhlen im Kopf erschwerten.

In one interview, a reporter asked El Cordobes
what regular exercises he did to stay fit enough
for the ardors of bullfighting:
- "Exercises?"
- "Yes. You know, jogging or weight lifting,
to maintain your physical condition."
- "There is something you don't understand,
my friend. I don't wrestle the bull."

Q: Hallentraining?

Im Schwimmbad der Kaserne in München fand Schwimmtraining und erste Tauchübungen statt. Unter anderem wurden DLRG-Scheine absolviert.

Im Schwimmbad und Tauchtopf, einem 7 Meter tiefen mit Wasser gefüllten Zylinder, wurden allerlei Luftmangel-Situationen geübt. Hier haben wir zum Beispiel ein Atemgerät zwischen bis zu 6 Tauchern geteilt.

Tauchmedizin wurde unterrichtet, und mit einem schriftlichen Test abgeschlossen: 1) Die Partialdrücke im Wasser sind anteilig genau wie an der Luft. 2) Stickstoff braucht länger, um aus dem Blut abgeatmet zu werden. Bei Aufenthalten in Tiefe und dem Atmen von normalem Luftgemisch ist deswegen allmähliches Aufsteigen erforderlich.

Q: Tauchen im freien Gewässer?


Die Kaserne in Starnberg grenzt an den gleichnamigen See an. Es waren zwei Plattformen angelegt (siehe Foto). Die wurden über ein M-Boot auf den See befördert, an den vier Ecken verankert, von wo wir dann getaucht sind.

An ausgewählten Tagen sind wir statt im See in Kanälen und kleinen Flüssen getaucht. Bei solch einer Gelegenheit hat ein Lehrgangsteilnehmer eine Schachtel mit kleinkalibriger Munition gefunden, und eine Armbanduhr.

Insgesamt haben wir 3 verschiedene Tauchanzüge benutzt: Naß- und Trockenneopren Leichttauchgeräte, und das Helmtauchgerät Draeger DM 220. Das An- und Ablegen von letzterem hat die Hilfe eines Kameraden erfordert.

Besonders in Erinnerung sind folgende Erlebnisse: 1) Jeweils zwei Taucher haben sich an langen Seilen festgehalten während die Tauchplattform weiterbefördert wurde. Bei diesem Strömungstauchen gleitete man unangestrengt über den Seeboden. 2) Im Helmtauchanzug mit Bleischuhen sind wir auf 30-40 Meter Tiefe über den schlammigen Boden "gelaufen". 3) Tauchen in der Nacht mit spärlicher Luminolstab Beleuchtung.

Mein risikoreichstes Erlebnis war bei einem Tauchgang versehentlich mehrfach um eine Ankerleine der Plattform herumgetaucht zu sein. Erst beim Auftauchvorgang habe ich gemerkt, daß die eigene Sicherheitsleine um die Ankerleine verwickelt war. Ausgerechnet bei diesem Tauchgang hatte ich zuvor die Reserve an den Druckflaschen betätigt, und es wurde ein bischen knapp mit der Luft.

If you wish to drown,
do not torture yourself
with shallow water.
Bulgarian proverb

Q: Wachdienst im Kompaniegebäude?

Wieder zurück in der Deines-Bruchmüller-Kaserne Lahnstein: Das Kompaniegebäude hat eine Kabine im Eingangsbereich. Dort ist für jeweils 24 h ein Unteroffizier vom Dienst (UvD) mit Stellvertreter eingeteilt. Nachts mußte man alle 4 Stunden oder so die Wache am Kaserneneingang anrufen und melden, daß alles ok sei.

Aus Langeweile habe ich bei dem ersten Dienst im Vorschriftenkatalog des UvD gelesen. Darin stand, daß die Brandbekämfungsmittel im Kompaniegebäude auf ihre Funktionstüchtigkeit zu untersuchen seien. Also habe ich auf dem Rundgang die Löschwasserbottiche und -pumpen auf den Fluren überprüft. 3 oder 4 davon stellten sich als defekt heraus. Der einzige der sich am nächsten Tag über diesen Bericht gefreut hat, war der Spieß. Wir haben uns seitdem prima verstanden, und er hat mich eingeladen, während der Dienstzeit mit ihm zu joggen. Der Material-Feldwebel allerdings hat sich über den Mehraufwand geärgert.

Q: Wachdienst der Kaserne?

Der Wachdienst der Kaserne besteht aus der Wache am Eingangstor, wo tagsüber eine Schranke zu bedienen ist, und nachts dann auch das große Kasernentor auf- und zugeschlossen werden muß. Daneben gilt es das Kasernengelände in 2er-Gruppen zu partouillieren. Dazu hat jeder ein Magazin mit scharfer Munition.

Nach ein oder zwei Mal Wachdienst setzt die Routine ein: Anstatt zu patrouillieren, hat man lieber das Kompaniegebäude aufgesucht, und sich für die knapp zwei Stunden ins Bett gelegt. Hauptsache der Wecker war gestellt.

Sowohl an Weihnachten als auch Neujahr hat man mich zur Kasernenwache eingeteilt. Mein Vater hat aber an Neujahr Geburtstag. Ich habe mich also an Sylvester in der Kaserne vom Arzt untersuchen und krank schreiben lassen. Am frühen Nachmittag habe ich dann Erlaubnis vom einem wachhabenden Offizier bekommen, die Kaserne zu verlassen. An der Wache am Kaserneneingang habe ich mich aus Verlegenheit nicht vorbeigetraut, also bin ich über den Stacheldrahtzaun direkt vor dem Kompaniegebäude geklettert.

Q: Wachdienst der Bunkeranlage?

Zweimal wurde ich zur Wache der Bunkeranlage/Munitionslager Rosengarten eingeteilt. Dabei sollte man zu zweit für jeweils 2 Stunden das Gelände patrouillieren. Dafür bekam man ein Gewehr mit scharfer Munition. Einige der Patronen waren vom Magazinfüllen und -entladen bereits so abgenutzt, dass einige Geschosse lose in der Hülse steckten. Entgegen der Anweisung habe ich mein Gewehr auf diesen Rundgängen nie durchgeladen. Als ich mit dem Kameraden gerade auf dem Rückweg zum Wachhaus war, hörten wir in der Ferne einen Schuß. Also haben wir uns schleunigst in die Wiese verkrochen. Über Funk hat uns niemand aus der Wache geantwortet. Also haben wir uns alle möglichen Szenarien ausgemalt, was passiert sein könnte. Einige Minuten später haben wir aber den Weg zum Wachhaus fortgesetzt. Was war passiert? Einer der Kameraden aus der nachfolgenden Patrouillie hatte beim Durchladen des Gewehrs versehentlich einen Schuß abgegeben.

Q: Einweisung für Kraftfahrzeuge?

Der zivile Führerschein ist zwar Voraussetzung aber nicht ausreichend, um die Autos der Bundeswehr zu fahren. Stattdessen belegt man einen Lehrgang für eine Woche, wo erneut Theorie und Praxis abgefragt werden. Dazu verlegte man mich in eine Kaserne der Stadt Speyer. Dort hatte ich mir vorgenommen die berühmte Orgel zu besuchen, aber dazu kam es, glaube ich, nicht.

Mit der erworbenen Fahrberechtigung hatte ich nach dem Lehrgang Gelegenheit, den Merzedes Jeep "Wolf", den 8-Sitz VW Bus, und die VW Pritsche zu fahren. Jede Fahrt sollte im persönlichen Fahrtenbuch eingetragen werden, aber das habe ich nie gemacht. Außerdem sollte vor jeder Fahrt das Fahrzeug auf Fahrtauglichkeit überprüft werden, aber auch das war unrealistisch: Niemand wollte 10 Minuten warten, bevor man losfährt.

Q: Fahrdienst?

Der Fahrdienst war bei mir an die Kasernenwache gekoppelt: Personentransporte in der Nacht, und Essenstransporte am frühen Morgen.

Wenn ich nachts alleine mit dem Jeep zwischen den mir vertrauten Kasernen unterwegs war, habe ich gelegentlich Umwege durchs Gelände gemacht. Auf solch einer Route habe ich einmal den Außenspiegel der Fahrerseite an einem Maschendrahtzaun abgefahren. Glücklicherweise gab es sonst nirgends eine Beschädigung, also konnte ich mich am nächsten Tag herausreden.

Der 8-Sitzer kam z.B. bei einer Karnewallfeier zum Einsatz, wo ich Berufssoldaten abgeholt und wieder nach Hause gefahren habe. Auf der Heimfahrt war ein angetrunkener Soldat mit meiner Fahrweise unzufrieden, obwohl ich diesmal gar nicht durchs Gelände gefahren war, und er wollte sich am nächsten Morgen über mich beschweren. Aber wie das so ist, hatte er wohl kurze Zeit später meinen Namen vergessen.

Mit der VW Pritsche haben wir das Tauchgerät transportiert. Irgendwann habe ich das Kraftfahrzeug zur Bundeswehr-eigenen Reparatur oder Inspektion abgegeben. Dort wurde die Fahrzeugausrüstung, d.h. Warndreieck, Verbandskasten, und drei Signalflaggen, entwendet.

Q: Der Urlaub der anderen?

Die Teileinheit Pioniertaucher hatte einmal für den Zeitraum von einer Woche geschlossen Urlaub. Alle außer mir. Jetzt galt es morgens nach dem Antreten der Kompanie besonders geschäftig zu wirken, um blos niemandem aufzufallen.

An so einem Tag bin ich dann in Uniform mit meinem Fahrrad aus der Kaserne gefahren in das Stadtzentrum von Lahnstein, zum Beispiel zum Einkaufen in den Supermarkt. Auf dem Rückweg ist mir ein Wagen der Feldjäger entgegengekommen, hat 30 Meter vor mir angehalten, und die Besatzung ist ausgestiegen. Also bin ich in die nächste kleine Seitengasse abgebogen, um einer Personenkontrolle zu entgehen. Auf der nächsten Straße hat mich wiederum die Polizei angehalten, weil ich bei dieser Gelegenheit gegen die Einbahnstraße gefahren sei. Schlußendlich habe ich mich dann ins öffentliche Schwimmbad gerettet, wo ich einige Stunden bis Dienstschluß verbracht habe. Die Feldjäger haben mir später auch nicht vor dem Kaserneneingang aufgelauert.

›Ich habe nichts zu verbergen‹ ist ein Synonym für ›Ich tue, was man von mir verlangt›
und damit eine Bankrotterklärung an die Idee des selbstbestimmten Individuums.
Juli Zeh

Q: Fazit zu den Vorgesetzten?

Unter meinen direkten Vorgesetzten war ich nicht beliebt. Zum Beispiel habe ich 1) es abgeleht zeitgleich mit der Teileinheit Urlaub zu nehmen, 2) bei einem Taucheinsatz in der Mosel im Februar den Tauchgang wegen den niedrigen Temperaturen auf eigene Faust beendet, anstatt das Signal von der Tauchleitung abzuwarten.

Deren Abneigung hat sich im Abschlußzeugnis manifestiert: "[...] Er erledigte die ihm übertragenen Aufgaben teilweise zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten. Seine Führung war befriedigend. In seiner Tätigkeit als Taucher und Kraftfahrer hat er ausreichende Leistungen gezeigt. [...]"

Für einen Monat habe ich einmal einen Überstundenzettel ausgefüllt. Das hat mich einen ganzen Abend gekostet. Einige Tage nachdem ich den eingereicht hatte, wurde mir mitgeteilt, daß der Zettel wohl verloren gegangen sei.

Weil die Vorgesetzten unter dem Vorwand, die Stube zu kontrollieren, jederzeit in das Zimmer durften, habe ich den Verdacht, daß sie bei solchen Gelegenheiten auch herumliegende Ausrüstung und Material entwendet haben. So viele Jacken, und Mützen habe ich vor und nach dem Wehrdienst nicht "verloren".

Q: Was bleibt?

An einfachen Grundsätzen habe ich im Anschluß an den Wehrdienst festgehalten: Keine Schußwaffen in der Hand halten, auch kein Paintball. Schon gar nicht auf Menschen zielen. Kein Teil einer autoritären Struktur sein, die blinden Gehorsam verlangt.

Ein Freund aus der selben Kompanie hat später ebenfalls an der TU-Darmstadt angefangen zu studieren. Er hat einen erfolgreichen Youtube-channel bitluni's lab.

Ein Mitglied der Tauchergruppe habe ich in Berlin wiedergetroffen. Damals wollte er sich zum Polizist ausbilden lassen.

Insgesamt habe ich während des Wehrdienstes über 140 Tauchstunden geleistet. Von dieser Erfahrung habe ich Jahre später bei Tauchgängen in Australien, Malaysia und Indonesien sehr profitiert.

Q: Warum diese Zusammenfassung (2)?

Die Bundeswehr und Regierung müssen derzeit zahlreiche Einsätze in allerlei Klimazonen rechtfertigen. Deren Rhetorik ist selbst unter einigen meiner konservativen Freunde mittlerweile nur noch schwer zu ertragen.

Weil der Wehrdienst oder alternativ Zivildienst erzwungen wurde, hatte man es auch nicht nötig die "Teilnehmer" anständig zu bezahlen. Rekruten waren billige Arbeitskräfte. Seitdem die Wehrpflicht ausgesetzt ist, wurde die Besoldung erhöht. Jetzt finden sich als Soldaten hauptsächlich jene junge Menschen, die ansonsten keine attraktive Perspektive auf ein Auskommen haben. Ein Jahr Auslandseinsatz finanziert ein kleines Haus in Deutschland.

Mein Freund hat damals in seinem Fahrdienst Berufssoldaten für die Auslandseinsätze zum Flughafen gefahren. Er erinnert sich: sie waren alle schlecht gelaunt.

Everything is fair in love and war.